Optimierung von Stahlbetonflachdecken im Bereich des Stützen-Decken-Knotens durch die Interaktion von Stahlfasern und Durchstanzbewehrung

 

IGF-Vorhaben Nr.:

21525 N

 

Laufzeit:

01.02.2021 bis 31.03.2023

 

Forschungsvereinigung:

Deutscher Beton- und Bautechnikverein E.V. (DBV)

 

Forschungseinrichtung:

Technische Universität München (TUM), Lehrstuhl für Massivbau.

Projektleitung:

Prof. Dr.-Ing. Oliver Fischer

Bearbeiter:

Sören Faustmann M.Sc.

 

Projekt-Zusammenfassung:

Der Durchstanznachweis ist für Flachdecken häufig von großer Bedeutung und es werden seit vielen Jahren Methoden zur Optimierung des Stützen-Decken-Knotens hinsichtlich Tragfähigkeit, Duktilität, leichter Herstellbarkeit und Ressourceneffizienz gesucht. Maßgebender Versagensmodus ist meist das Durchstanzen. Übliche Methoden zur Erhöhung des Durchstanzwiderstandes sind der Einsatz von Durchstanzbewehrung (z.B. Bügel, Doppelkopfanker oder Gitterträger) oder das Verwenden von Stahlfaserbeton (vgl. Abbildung 1).

 

Abbildung 1: mögliche Maßnahmen zur Erhöhung des Durchstanzwiderstandes: a) geschlossene Bügel, b) Doppelkopfanker, c) Gitterträger als Durchstanzbewehrung oder d) Einsatz von Stahlfaserbeton

 

Eine Kombination aus Durchstanzbewehrung und Stahlfaserbeton ist aufgrund einer fehlenden experimentellen Datengrundlage in aktuellen Regelwerken ausgeschlossen [1, 2]. In der nächsten Generation von Eurocode 2 (FprEC2) [3] ist in Anhang L ein Bemessungsansatz enthalten, der die Kombination von Stahlfasern und Durchstanzbewehrung berücksichtigt, dessen Validierung aufgrund der mangelnden experimentellen Datengrundlage jedoch angezweifelt wird.

Im vorliegenden Forschungsvorhaben wurden hybride Verstärkungsmaßnahmen am Stützen-Decken-Knoten bestehend aus konventioneller Durchstanzbewehrung (Bügel, Doppelkopfanker und Gitterträger) in Kombination mit Stahlfaserbeton systematisch untersucht. Zunächst wurden die relevanten Grundlagen zu den Themen Stahlfaserbeton, Durchstanzen und Bemessungsregeln zum Durchstanzen aufgearbeitet. Anschließend wurden alle bekannten experimentellen Durchstanzversuche mit Stahlfaser- und Durchstanzbewehrung wiedergegeben. Es konnte festgestellt werden, dass keine ausreichende Datenbasis zur Entwicklung und Validierung eines Bemessungsansatzes für Durchstanzen vorhanden ist und eigene experimentelle Untersuchungen notwendig sind. Grundlage dafür bieten die Tastversuche vom Lehrstuhl für Massivbau der Technischen Universität München von Landler aus [4].

15 Durchstanzversuche an Flachdeckenausschnitten im Maßstab 1:1 in Kombination mit umfangreichen Begleitversuchen bilden den Kern des Forschungsvorhabens. Variiert wurden der Durchstanzbewehrungstyp, der Durchstanzbewehrungsgrad, der Stahlfasergehalt und der Biegebewehrungsgrad. Es wurden Traglaststeigerungen durch den kombinierten Einsatz von Stahlfaser- und Durchstanzbewehrung erreicht, die konventionelle Durchstanzbewehrungssysteme (z.B. Bügel alleine) um bis zu 40 % übertreffen. Die Variation des Durchstanzbewehrungsgrades, die durch eine Variation des Durchstanzbewerhrungsdurchmessers bei gleicher Anzahl und Position erreicht wurde, führte zu einer deutlichen Änderung der Rissneigung des Durchstanzrisses (vgl. Abbildung 2). Bei kleinen Durchstanzbewehrungsgraden ergaben sich flache Rissneigungen und somit größere Rissoberflächen. Die Stahlfasern können dadurch eine große Wirkung entfalten und beeinflussen den Durchstanzwiderstand deutlich.

Abbildung 2: Sägeschnitte bzw. Bruchbilder von Durchstanzversuchen mit variiertem Bügeldurchmesser  bzw. Durchstanzbewehrungsgrad  (sonstige Parameter nicht variiert).

 

Die numerische Simulation von 12 Durchstanzversuchen mit nichtlinearer FEM zeigt eine gute Übereinstimmung zwischen Simulation und durchgeführten Versuchen (vgl. Abbildung 3). Das Modell wurde als valide bewertet und für interpolierende Berechnungen innerhalb der experimentellen abgesicherten Versuchsergebnisse verwendet. So wurde der Einfluss des Stahlfasergehaltes bzw. der residuellen Nachrissbiegezugfestigkeit auf das Maximallasttragverhalten von Flachdecken mit Doppelkopfankern und Stahlfasern untersucht.

Abbildung 3: Vergleich zwischen Versuch 4D40 D10 108 und der zugehörigen FE-Simulation. a) Last-Durchbiegungsbeziehung und b) Bruchbild

 

Der Bemessungsansatz für Durchstanzen nach FprEC2 [3] wurde anhand bestehender und neu zusammengestellter Datenbasen validiert. Für die Kombination „Stahlfasern + Durchstanzbewehrung“ entsprechen dabei ausschließlich die neu durchgeführten Versuche und vorangegangene Tast- und Referenzversuche des Lehrstuhls für Massivbau der TUM aus [4] den Anforderungen: Auftreten eines Durchstanzversagens, Verwendung von in Europa üblicher Durchstanzbewehrung und realitätsnahe Abmessungen der Deckenplatte. Im Vergleich mit den vorliegenden Versuchen scheint der Bemessungsansatz nach FprEC2 auch für stahlfaser- und durchstanzbewehrte Flachdecken sicher, es zeigen sich jedoch Optimierungspotentiale im Hinblick auf dessen Wirtschaftlichkeit.

Abschließend wird daher ein Vorschlag zur Weiterentwicklung des Bemessungsansatzes nach FprEC2 [3] formuliert und anhand der gesammelten Daten validiert. Im Wesentlichen werden die folgenden beiden Effekte neu berücksichtigt:

•Die Stahlfasern haben eine günstige Auswirkung auf das Maximallasttragverhalten () von Flachdecken mit Durchstanzbewehrung.

•Bei kleinen Durchstanzbewehrungsgraden bzw. Durchstanzbewehrungsdurchmessern (in den vorliegenden Versuchen gekoppelte Größen) ergeben sich flachere Rissneigungen und daher größere Rissoberflächen und somit größere Stahlfasertraganteile. Innerhalb der experimentell abgesicherten Datenbasis wurde dieser Interaktions-Effekt über eine Modifikation des Beiwertes  in den Bemessungsansatz integriert.

Im Sinne des Forschungsantrages wurde damit das wesentliche Projektziel „Weiterentwicklung eines praxistauglichen Bemessungsansatzes für Durchstanzen unter Berücksichtigung der Interaktion von Stahlfasern und Durchstanzbewehrung“ erreicht.

 

Quellen:

[1]

DafStb (Herausgeber) (2012): Richtlinie Stahlfaserbeton

[2]

DAfStb (Herausgeber) (2012): Erläuterungen zur DAfStb-Richtlinie „Stahlfaserbeton“. DAfStb Heft 614

[3]

FINAL DRAFT FprEN 1992-1-1; Eurocode 2 - Design of concrete structures - Part 1-1:

General rules and rules for buildings, bridges and civil engineering structures. (2023)

[4]

Landler, J. und O. Fischer (2021): Durchstanztragverhalten stahlfaserverstärkter Flachdecken

mit Durchstanzbewehrung. In: Beton- und Stahlbetonbau, 116: S. 348–359.

 

Danksagung

Das IGF-Vorhaben 21525 N des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins E.V. wurde über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen e.V. (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (ehem. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Folgende Unternehmen, Institutionen und Verbände waren im projektbegleitenden Ausschuss eingebunden:

·         Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E. V.

·         Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V.

·         Deutsches Institut für Bautechnik

·         Bayrisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr

·         Ruhr-Universität Bochum

·         Bekaert GmbH

·         Büchting + Streit AG

·         bwp Burggraf + Reiminger Beratende Ingenieure GmbH

·         Ed. Züblin AG - Zentrale Technik

·         Filigran Trägersysteme GmbH & Co.

·         Firmengruppe Max Bögl

·         H+P Ingenieure GmbH

·         HALFEN GmbH

·         henke rapolder frühe Ingenieurgesellschaft mbH

·         KrampeHarex GmbH & Co. KG

·         Schöck Bauteile GmbH

·         Schulz Concrete Engineering GmbH

·         Schwenk Zement KG

·         Seuss Staller Schmitt Ingenieure GmbH

·         Heidelberg Materials AG

Herzlicher Dank für die gewährte Unterstützung gilt dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen e.V., dem Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein E.V. sowie der Beratergruppe. Den Firmen Bekaert GmbH, Filigran Trägersysteme GmbH & Co. und Schöck Bauteile GmbH sei für die Unterstützung in Form von Versuchsmaterial ebenfalls herzlich gedankt.

Der Abschlussbericht des Forschungsvorhabens kann auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.

Kontakt:

Sören Faustmann

Telefon:               +49 89 289 23018

E-Mail:                 soeren.faustmann@tum.de