Abwasser Biomarker CoV2: Abwasserepidemiologie am Beispiel eines SARS-CoV-2 Biomarkers für die Abschätzung von COVID-19-Infektionen auf der Populationsskala

Die Abwasserepidemiologie (engl., wastewater-based epidemiology, WBE) bekommt zunehmend Zuspruch als eine diagnostische Methode um den Konsum von Drogen und Medikamenten für gesamte Siedlungsgebiete abzuschätzen. Auch SARS-CoV-2 kann als ein Biomarker im Rahmen einer Abwasserdiagnostik genutzt werden, um einerseits eine Änderung im Infektionsgeschehen frühzeitig zu erkennen und andererseits die Dunkelziffer von COVID-19-Fällen auf der Populationsskala besser aufzuklären. Dafür muss die Virusmenge im Abwasser zuverlässig analysiert und nachgewiesen werden. Der Nachweis von SARS-CoV-2 basiert auf verschiedenen PCR-Tests mit zuvor aufbereiteten Abwasserproben (siehe Arbeitsschema in Abbildung 1). Hierzu besteht Forschungsbedarf zu standardisierten Methoden für behüllte Viren wie SARS-CoV-2, zur Optimierung der Aufbereitungsverfahren für die Erfassung der Virenmenge im Rohabwasser, und zur aktiven Einbindung ins Krisenmanagement der Behörden.

Für die Einordnung der ermittelten Viruskonzentration im Abwasser ist es darüber hinaus sehr wichtig weitere Faktoren zu beachten, wie die Bevölkerungsdichte, das Abwassernetz und dessen Abdeckung, das anfallende Abwasservolumen, Fremdwasseranteile, und stoffspezifische Größen wie Ausscheidungsraten und das Verhalten von SARS-CoV-2 im Kanalnetz. Um die Unsicherheit dieser Einschätzung zu verringern, müssen diese Faktoren bei der Abschätzung des Infektionsgeschehens berücksichtigt werden. Mit den Ergebnissen aus diesem Projekt kann ein neuartiges SARS-CoV-2 Biomarker-Konzept entwickelt werden, das zum einen als ein Frühwarnsystem dienen soll und zum anderen auch zur Abschätzung der Ausbreitung von Infektionen direkt von den Behörden genutzt werden kann. Ein solches Konzept ließe sich voraussichtlich auch auf eine Abschätzung des Infektionsgeschehens durch andere Viren oder dessen Früherkennung bzw. Nachverfolgung ausdehnen.

Die Kernziele dieses Vorhabens sind:

·         die Entwicklung von Methoden zur quantitativen Bestimmung von SARS-CoV-2 Biomarkern einschließlich Mutanten und viralen Surrogaten aus Rohabwasser

·         die Entwicklung und Prüfung von Strategien zur Identifikation von lokalen Infektions-Hot-Spots in einer Kommune

·         die genaue Abschätzung und Vorhersage von COVID-19-Infektionen in einer Kommune auf der Grundlage des Vorkommens behüllter Viren in kommunalen Abwässern, sowie

·         die Übertragbarkeit der entwickelten Methodik und des Biomarker Modells auf andere pathogene Viren.

Um diese Ziele zu erreichen werden zahlreiche Städte und Gemeinden in Bayern und Baden-Württemberg mit denen wir bereits Mitte 2020 erste Erfahrungen sammeln konnten regelmäßig seit Oktober 2020 beprobt. Die Karte in Abbildung 2 zeigt die beteiligten Standorte. Insbesondere im Berchtesgadener Land findet seit Oktober 2020 ein hochaufgelöstes Monitoring an 5 Standorten statt. Hier werden die erfassten Viruskonzentrationen im Abwasser mit den gemeindebezogenen Fallzahlen korreliert und innerhalb von 48 Stunden dem ansässigen Krisenstab mitgeteilt. Inzwischen wurde für die schnellere Datenweitergabe und bessere Vernetzung ein Dashboard entwickelt. Dieses Konzept ermöglicht ein schnelles Informationsmanagement, kurze Entscheidungswege und ist bisher deutschlandweit einzigartig.

Abbildung 1 - Konzept des Abwassermonitorings von SARS-CoV-2. Bild: Johannes Ho, Claudia Stange

 

Abbildung 2 - Probenahmeorte für das SARS-CoV-2 Abwasserscreening

 

SARS-CoV-2-Biomarker können als zusätzlicher Indikator für das Pandemiemanagement im Rahmen der abwasserbasierten Epidemiologie verwendet werden. Dafür muss die Menge der Biomarker im Abwasser zuverlässig nachgewiesen werden, was mit der Untersuchung der Auswirkungen des Transportes im Kanalsystem und mit einer anschließend repräsentativen Probenahme beginnt.

Kanalnetz: Der Transport von SARS-CoV-2 Biomarkern in der Kanalisation resultiert in biochemischen Veränderungen, die die Wiederfindung aus kommunalem Abwasser negativ beeinflussen können. In Zusammenarbeit mit der Münchner Stadtentwässerung sind Messungen im ca. 9 km lange Kanalstück zwischen den beiden Münchner Klärwerken Gut Großlappen und Gut Marienhof und in einem kürzeren Kanalstück über ca. 300 m im Münchner Stadtteil Hasenbergl geplant. Dabei wird der Einfluss verschiedener Faktoren wie Verweilzeit, Temperatur, pH und Redoxverhältnisse auf den Abbau von SARS-CoV-2 Biomarkern in der Kanalisation geprüft.

Tagesschwankungen: Aufgrund des charakteristischen Ausscheidungs-verhaltens unterliegt das Vorkommen von SARS-CoV-2 Biomarkern im Abwasser tageszeitlichen
Schwankungen. Es wird davon ausgegangen, dass das tageszeitliche Sukzessionsmuster mit der Menge der angeschlossenen Einwohner in Verbindung steht. Um dies zu untersuchen, wurden 7 Gemeinden mit Einwohnerzahlen zwischen 1,1 Millionen und 8100 angeschlossenen Einwohnern über 48 Stunden beprobt. Die Proben wurden auf 4 SARS-CoV-2 Biomarker und weitere Surrogatparameter (PMMoV, Durchfluss, Ammonium, TOC, elektr. Leitfähigkeit und verschiedene Spurenstoffe) untersucht. Erste Ergebnisse zeigen unterschiedliche Tagesverläufe der Biomarkerkonzentrationen für die unterschiedlichen Gemeinden, wie in Abbildung 3 dargestellt.

Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Jörg E. Drewes
Co-Leitung Dr. Christian Wurzbacher
Sachbearbeiter

M.Sc. Anna Uchaikina

M.Sc. Shehryaar Khan

M.Sc. Christine Walzik

Kooperationspartner TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser
Projektleiter Prof. Dr. Andreas Tiehm
Sachbearbeiter

Dr. Johannes Ho

Dipl. -Ing. (FH) Claudia Stange

KMU Blue Biolabs: Oliver Thronicker
Finanzierung Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF)

Publikationen

2023

  • Wilhelm, Alexander; Schoth, Jens; Meinert-Berning, Christina; Bastian, Daniel; Blum, Helmut; Elsinga, Goffe; Graf, Alexander; Heijnen, Leo; Ho, Johannes; Kluge, Mariana; Krebs, Stefan; Stange, Claudia; Uchaikina, Anna; Dolny, Regina; Wurzbacher, Christian; Drewes, Jörg E.; Medema, Gertjan; Tiehm, Andreas; Ciesek, Sandra; Teichgräber, Burkhard; Wintgens, Thomas; Weber, Frank-Andreas; Widera, Marek: Interlaboratory comparison using inactivated SARS-CoV-2 variants as a feasible tool for quality control in COVID-19 wastewater monitoring. Science of The Total Environment 903, 2023, 166540 mehr…

2022

  • Mitranescu, Alexander; Uchaikina, Anna; Kau, Anna-Sonia; Stange, Claudia; Ho, Johannes; Tiehm, Andreas; Wurzbacher, Christian; Drewes, Jörg E.: Wastewater-Based Epidemiology for SARS-CoV-2 Biomarkers: Evaluation of Normalization Methods in Small and Large Communities in Southern Germany. ACS ES&T Water, 2022 mehr…

2021

  • Ho, Johannes; Stange, Claudia; Suhrborg, Rabea; Wurzbacher, Christian; Drewes, Joerg E.; Tiehm Andreas: SARS-CoV-2 wastewater surveillance in Germany: Long-term RT-digital droplet PCR monitoring, suitability of primer/probe combinations and biomarker stability. Water Research, 2021 mehr…
  • Rossmann, Katalyn; Clasen, Rüttger; Münch, Manuel; Wurzbacher, Christian; Tiehm, Andreas; Drewes, Jörg E.: SARS-CoV-2 Crisis Management With a Wastewater Early-Warning System in the Bavarian District of Berchtesgadener Land, Germany. Deutsches Ärzteblatt international, 2021 mehr…
  • Roßmann, Katalyn; Großmann, Gerd; Frangoulidis, Dimitrios; Clasen, Rüttger; Münch, Manuel; Hasenknopf, Manfred; Wurzbacher, Christian; Tiehm, Andreas; Stange, Claudia; Ho, Johannes; Woermann, Marion; Drewes, Jörg E.: Innovatives SARS-CoV-2-Krisenmanagement im öffentlichen Gesundheitswesen: Corona-Dashboard und Abwasserfrühwarnsystem am Beispiel Berchtesgadener Land. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 2021 mehr…