Die neue EU-Wasserpolitik als Chance nutzen
Der Pegel des Rhein ist auf einem Tiefstand, weite Agrarflächen in Mitteleuropa drohen zu verdörren, Frankreich musste Atomkraftwerke wegen Mangel an Kühlwasser drosseln – Europa leidet seit Wochen unter ungewöhnlicher Trockenheit. Eine Extremwetterlage, die mit fortschreitendem Klimawandel immer häufiger auftreten dürfte. Wegen der heute bereits angespannten Situation und des zunehmenden Risikos von Wassernotlagen hat die EU-Kommission am 4. Juni eine Wasserresilienzstrategie vorgelegt. Der WBGU schlägt dazu in einem aktuellen Politikpapier weitere grundlegende Ergänzungen vor: Bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie sollte der gesamten EU-Wasserpolitik, den mitgliedstaatlichen Wasserbehörden und den lokalen Verbänden ein „klimaresilientes Wassermanagement“ als Leitbild dienen. Zentral dafür ist, sogenanntes grünes, also im Boden gespeichertes Wasser in die Strategien einzubeziehen; Landwirt:innen würden dann auch als Grünwasserwirt:innen fungieren. Die europäische Wasserpolitik sollte zudem stärker als vorgeschlagen Synergien zwischen verschiedenen Politikfeldern wie dem Agrarsektor oder der Industrie herstellen und Anknüpfungspunkte für andere Richtlinien und Verordnungen schaffen. Der WBGU empfiehlt darüber hinaus eine gemeinsame Wasseraußenpolitik der EU und ein intensiveres Engagement für neue Governanceformen auf internationaler Ebene.
Vier wichtige Handlungsprinzipien
Kern der EU-Wasserresilienzstrategie 2025 ist ein neues „Wassernutzungseffizienz-zuerst-Prinzip“: Der Verbrauch von Wasser soll reduziert, seine Verwendung effizienter gestaltet werden, unter anderem durch Wasserrecycling. „Der Ansatz ist notwendig und kommt zur richtigen Zeit“, sagt Jörg Drewes, Leiter des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Siedlungswasserwirtschaft an der TU München und Co-Vorsitzender des WBGU. „Doch er ist noch längst nicht ausreichend, die entsprechenden Strategien müssen dringend weiter konkretisiert werden.“
Nach Auffassung des WBGU sollten Auswahl und Ausgestaltung von Maßnahmen für ein klimaresilientes Gewässermanagement nicht nur möglichst wirksam und flexibel gestaltet werden, sondern auch so angelegt sein, dass sie sich lokal gut umsetzen lassen. Gleichzeitig gilt es, die Konzepte multifunktional auszurichten, das heißt, mit ihrer Hilfe gleichermaßen ökologischen, gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Mehrgewinn anzustreben. Bei der Planung der Vorhaben sollte überdies auf eine möglichst breite Partizipationaller Betroffenen geachtet werden.
Sektorübergreifender Ansatz bringt Vorteile
Für einen umfassenden Schutz von Wasser – sei es im Boden gespeichert oder in Flüssen, Seen und Grundwasseradern – ist es erforderlich, das klimaresiliente Wassermanagement sowohl in die Biodiversitätskonzepte als auch in die Agrar- und Industriepolitik der EU einzubetten. Diese breitgefächerte Verankerung verspricht neben besseren Ergebnissen bei der Umsetzung auch Synergien in anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Wiederherstellung von Ökosystemen oder bei der Finanzierung der Maßnahmen. So ist etwa die Verfügbarkeit von Wasser für den europäischen Clean Industrial Deal und für die neue Vision der EU zu Landwirtschaft und Ernährung essenziell. Ein klimaresilienter Umgang mit Wasser sollte darin integriert und in noch zu entwickelnden Finanzierungsmechanismen berücksichtigt werden. Es kommt darauf an, die Akteure aus Industrie und Agrarwirtschaft für die Notwendigkeit eines klimaresilienten Wassermanagements zu sensibilisieren.
Gemeinsame EU-Wasseraußenpolitik gefragt
„Die EU sollte klimaresilientes Wassermanagement und grünes Wasser als Schutzgut in das bisherige Wasserrecht integrieren“, sagt Sabine Schlacke, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Greifswald und WBGU-Mitglied. Besonders großen Handlungsbedarf sieht der WBGU darüber hinaus bei der Umsetzung bereits bestehender wasserrelevanter Rechtsakte und Strategien der EU.
Doch das Engagement darf sich nicht auf den europäischen Raum beschränken. „Wasser stellt ein Gut gemeinsamer Sorge der Menschheit dar und erfordert die internationale Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft“, betont Schlacke. „Es wäre daher sinnvoll, wenn die EU-Länder eine gemeinsame Wasseraußenpolitik entwickeln würden, in der etwa Positivbeispiele und Governanceempfehlungen für die internationale Ebene formuliert werden.“ So könnte Europa die kommenden UN-Wasserkonferenzen 2026 und 2028 prägen und entscheidende Impulse für eine weltweite Klimaresilienz im Wasserbereich setzen.